Vom Rhythmus der Züge und der Kraft der Organisation: Horst Kohn über den Erhalt historischer Fahrzeuge und die damit verbundene Verantwortung.
Liebe Leserinnen und Leser,
in den kommenden Zeilen möchten wir Ihnen einen Einblick in die faszinierende Welt der Schmalspurbahn geben und dabei eine außergewöhnliche Persönlichkeit vorstellen.
Dabei richten wir unseren Fokus nicht nur auf die technischen Aspekte, sondern vor allem auf die Menschen hinter den Kulissen. Denn es sind die Menschen, ihre Geschichten und ihr Engagement, die den Charme und die Magie der Schmalspurbahn ausmachen.
Unser heutiger Interviewpartner verkörpert genau das: die Begeisterung für die Schmalspurbahn, die Liebe zum Detail und den unermüdlichen Einsatz für den Erhalt historischer Fahrzeuge.
Hallo Horst, stell Dich bitte kurz vor.
Ich heiße Horst Kohn. Ich bin 57 Jahre alt und bin Stellvertretender Eisenbahnbetriebsleiter der MBB.
Wie bist Du zur Mansfelder Bergwerksbahn gekommen, wie lange und als was bist Du hier tätig?
Ich bin in Benndorf aufgewachsen. Die Mansfelder Bergwerksbahn fuhr direkt an meiner Schule vorbei. Auch war sie nicht weit weg von meinem Elternhaus. Unser Garten befand sich ebenfalls neben einer Eisenbahnstrecke. So war mein Interesse für die Eisenbahn allgemein bereits als kleiner Junge schnell geweckt. Mein Vater war gelernter Eisenbahner und arbeitete bei der Mansfelder Bergwerksbahn. Manchmal besuchte ich ihn auf Arbeit. Außerdem konnte er alle meine Fragen zur Eisenbahn beantworten. Später las ich Bücher über die verschiedenen Schmalspurbahnen und stellte dadurch fest, dass die Mansfelder Bergwerksbahn bezüglich ihrer Fahrzeuge, der Streckenführung und der Betriebsführung etwas Einzigartiges und ganz Besonderes darstellt.
Ich erlernte dann einen Beruf bei der Deutschen Reichsbahn und arbeitete dort viele Jahre als Triebfahrzeugführer.
Die politische Wende in der DDR brachte einige Veränderungen mit sich. Dazu gehörte einerseits die für mich traurige Tatsache, dass aufgrund der Schließung vieler Betriebe im Mansfelder Land die Bergwerksbahn nicht mehr benötigt und stillgelegt werden sollte, andererseits jedoch schaffte die neue Rechtslage bisher nie gekannte Möglichkeiten, technische Kulturgüter wie die Mansfelder Bergwerksbahn zu erhalten. Mit Freude nahm ich zur Kenntnis, dass sich für den Erhalt der Mansfelder Bergwerksbahn ein Verein gegründet hatte. Diesem trat ich bei. Anfangs konnten alle Tätigkeiten noch ehrenamtlich erledigt werden. Das änderte sich im Laufe der Zeit. Mit der erforderlichen Gründung des Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmens wuchsen die Aufgaben ständig und als der Vorstand die Eisenbahnbetriebsleitung bestellen musste, erklärte ich mich für die Mitarbeit dazu bereit. Seitdem bin ich der Stellvertreter des Eisenbahnbetriebsleiters. Natürlich fahre ich auch hin und wieder unsere Diesellokomotive. Das bereitet mir besonderen Spaß.
Wie wichtig ist für Dich der Erhalt historischer Fahrzeuge und welche Maßnahmen werden bei der Mansfelder Bergwerksbahn ergriffen, um die historische Fahrzeuge in gutem Zustand zu erhalten?
Der Erhalt historischer Fahrzeuge ist eine der Kernaufgaben der Mansfelder Bergwerksbahn mit sehr hoher Wichtigkeit. Als der Verein gegründet wurde, war von den einst zahlreich vorhandenen Personenwagen keiner mehr einsatzbereit bzw. schon einer Nachnutzung als Hühnerstall oder Gartenlaube zugeführt. Immerhin war der Reiseverkehr auf der MBB damals bereits seit über 20 Jahren eingestellt. Jeder Personenwagen, der heute auf unserer Eisenbahn fährt, wurde durch den Verein in mühevoller Kleinarbeit wieder komplettiert und aufgearbeitet, was nicht selten mehrere Jahre pro Wagen dauert.
Für eine Eisenbahn, auf der der Güterverkehr eine wichtige Rolle spielte, und so eine Eisenbahn war die Mansfelder Bergwerksbahn, ist natürlich auch der Erhalt von historischen Güterwagen wichtig. Hier bei unserer Eisenbahn gab es nicht nur eine Vielfalt an Wagengattungen, die meisten waren auch nur hier und bei keiner anderen Bahn im Einsatz. Bei der Auswahl der betriebsfähig zu erhaltenen Güterwagen ist es wichtig, solche auszuwählen, die noch einen praktischen Nutzen, zum Beispiel bei Bauarbeiten für Materialtransporte, erbringen können.
Unsere beiden Dampflokomotiven Nummer 11 und 20 dokumentieren ebenso das Bild der historischen Mansfelder Bergwerksbahn und stellen sozusagen unsere „Stars“ dar. Lok 11 hat erst eine umfangreiche neue Hauptuntersuchung bekommen. Lok 20 wurde aus Estland zu uns zurückgeführt und wieder betriebsfähig hergerichtet. Unsere Diesellok 33 steht eher im Schatten der Dampfloks. Sie verkörpert jedoch auch ein Stück Geschichte der MBB, ist für kurzfristig anstehende Leistungen schneller verfügbar als die Dampfloks und ermöglicht das Verkehren von Sonderzügen, die für unsere Fahrgäste wesentlich preiswerter als die dampfgeführten Züge sind.
Wenn ich heute den uns verfügbaren „Fuhrpark“ betrachte, bin ich echt stolz.
Wie wichtig ist Dir die Sicherheit bei der Arbeit und welche Vorsichtsmaßnahmen werden ergriffen, um Unfälle zu vermeiden?
Das ist ein ganz wichtiges Thema. Ich weiß, dass Außenstehende manchmal die Meinung vertreten, dass es bei den Schmalspurbahnen etwas lockerer zugeht, weil die Eisenbahn ja eben kleiner ist. Das ist aber nicht der Fall. Arbeitsunfälle oder gar Bahnbetriebsunfälle können auch bei Schmalspurbahnen katastrophale Auswirkungen haben. Ich erinnere an den schlimmen Unfall bei den Harzer Schmalspurbahnen im Jahr 1994, bei dem über 30 Fahrgäste zum Teil schwere Verletzungen erlitten.
Die einschlägigen Regeln zu Arbeitssicherheit, Arbeitszeiten und die Einhaltung aller betrieblichen Regelwerke gelten für uns genauso wie für jede andere Eisenbahn. Regelmäßig werden Fortbildungsmaßnahmen und Arbeitsschutzbelehrungen durchgeführt. Jeder muss für seine Tätigkeit tauglich, ausgebildet und geprüft sein. Bei der Mansfelder Bergwerksbahn existiert ein Notfallmanagement, das jedem Eisenbahner bekannt ist. Die Mitarbeiter absolvierten erst im vergangenen Jahr einen Erste-Hilfe-Lehrgang.
Zur weiteren Erhöhung der Sicherheit verfolgen wir gerade das Projekt, die gesamte MBB mit einem internen digitalem Funksystem auszurüsten.
Ich weiß, dass Du ein Hobby hast. Wie beeinflusst Dein Hobby des Modellbaus Deinen Beruf und wie lässt Du Dich für die neuen Werke inspirieren?
Ich bin vielseitig interessiert und übe sehr gern handwerkliche Arbeiten aus. Ich kombiniere beides und baue Dinge, die mich interessieren, im Modell nach. Das macht mir sehr viel Spaß und lässt mich schön entspannen. So schöpfe ich Kraft für den Alltag.
Schon als Kind habe ich das gern getan. Viele Menschen trennen sich ab einem gewissen Alter von ihren Leidenschaften der Kindheit. Bei mir war das nicht der Fall. In dieser Hinsicht bin ich immer ein Kind geblieben.
Meine Inspirationen dafür kommen in der Regel ganz spontan und sind auf kein Thema beschränkt. Manchmal genügt ein Foto, ein Zeitungsartikel oder eine persönliche Entdeckung und schon fange ich Feuer. Dabei bin ich sehr vielfältig, es können Fahrzeuge sein, Gebäude oder auch mal eine Szene aus einem Märchen. Im Mai wurde zum Beispiel die Heinrichsburg eingeweiht. Daran habe ich ein Jahr lang gearbeitet.
Welchem Thema ich mich als nächstes widme kann ich meist noch nicht voraussagen. Dabei ist stets der Weg das Ziel. Das Tüfteln um Planung und Erstellung stehen an erster Stelle. Wenn etwas fertig ist, freue ich mich darüber, bin aber im Gedanken schon beim nächsten Projekt und hake das vergangene ab.
Wenn die Diesellokomotive 33 sprechen könnte, welche Art von Persönlichkeit würde sie haben und welche Geschichten würde sie erzählen?
Um diese Frage zu beantworten, muss man erst einmal die Rolle der Lok 33 bei der Mansfelder Bergwerksbahn sowie ihre technischen Daten betrachten.
Lok 33 kam in einer Serie mit 7 anderen baugleichen Loks Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre zur Mansfelder Bergwerksbahn. Ihre Aufgabe war es, die kleinen alten Dampflokomotiven im Rangierdienst und leichten Zugdienst abzulösen. Mit einer Leistung von 100 PS ist sie eher bescheiden motorisiert. Ihre Technik ist einfach und sehr robust.
Ich würde ihr folgende Persönlichkeit zuschreiben:
Sie ist eine bescheidene rüstige ältere Dame. Sie hat ihr Leben lang schwer gearbeitet. Sie möchte aber nicht zum alten Eisen gehören. Darum engagiert sie sich nun nach dem Ende des regulären Verkehrs bei der Mansfelder Bergwerksbahn im Verein.
Folgende Geschichten würde sie erzählen:
… wie sie in das Mansfelder Land geliefert wurde und die Mansfelder Bergwerksbahn kennenlernte
… wie sie anfangs von den alteingesessenen Personalen und Lokomotiven argwöhnisch beäugt wurde
… mit welchen Personalen sie gern und mit welchen sie nicht so gern gefahren ist
… welche Leistungen sie am liebsten gefahren hat
… welche Reparaturen sie über sich ergehen lassen musste
… ob es ihr heute im Museumsbetrieb besser gefällt als früher im täglichen harten Plandienst
Wenn Du eine Reise in die Vergangenheit machen könntest, um eine Person aus der Geschichte zu treffen und mit ihr zu sprechen, wer wäre das und was würdest Du gern erfahren?
Ich hätte kein Interesse, eine Persönlichkeit aus der Vergangenheit zu treffen. Das heißt aber nicht, dass mich die Vergangenheit nicht interessieren würde – im Gegenteil. Jedoch finde ich, dass die Worte der großen Persönlichkeiten, der Dichter und Denker und der Politiker, bereits publiziert sind und man sie bei Bedarf in vielen Quellen nachlesen kann. Auch befürchte ich, dass ein Gespräch mit einer bedeutenden Persönlichkeit wenig ehrlich und sehr subjektiv, wenn nicht sogar populistisch, geprägt wäre.
Um etwas aus der Vergangenheit zu erfahren, würde ich mich in einer anderen Zeit lieber unter das „einfache Volk“ mischen. Ich würde ihren Alltag beobachten, schauen, wie sie wohnen, wie sie arbeiten, wie der Schulunterricht stattfindet und welche Themen gelehrt werden, womit sie ihre Freizeit verbringen, worüber sie lachen und was ihnen Sorge bereitet. Ebenso interessiert mich, wie sie ihre Feste feiern, was es für kulturelle Angebote gibt und wer sie nutzt. Ich würde auch ihre Tageszeitungen lesen, die öffentlichen Aushänge betrachten und durch Geschäfte und an Schaufenstern vorbei bummeln.
Natürlich würde ich auch gern mehr über die angewendeten Techniken und Technologien erfahren, zum Beispiel, welche Werkzeuge und Hilfsmittel zum Einsatz gelangen.
Und ganz sicher würde ich ihre Verkehrsmittel kennenlernen wollen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass ich auf diese Weise mehr erfahren würde als aus einem Gespräch mit einer bedeutenden Persönlichkeit.
Wenn Du einen Tag lang die Fähigkeit hättest, jedes Objekt in der Umgebung zu vergrößern oder zu verkleinern, welche Dinge würdest Du auswählen und warum?
Wenn ich auf dieser Welt etwas vergrößern könnte, wäre das auf jeden Fall die Lebensfreude eines jeden einzelnen, die Toleranz, die Rücksichtnahme, die Möglichkeiten der Bildung und der medizinischen Versorgung und die Freundschaft untereinander.
Könnte ich etwas verkleinern, wären das Elend, Hunger, Ausbeutung, Habgier, Geiz und Konflikte.
Wie würdest Du die Mansfelder Bergwerksbahn mit nur drei Adjektiven beschreiben?
1. Einzigartig
2. Erlebenswert
3. Faszinierend
Was würdest Du den jüngeren Mitarbeitern und Vereinsmitgliedern mit auf den Weg geben?
Entwickelt die Mansfelder Bergwerksbahn weiter und erhaltet, was unsere Generation geschaffen hat. Ihr könnt es anders machen – aber macht es! Habt dabei keine Angst, Fehler zu machen – die haben wir auch gemacht. Lernt daraus! Seid bereit, Verantwortung für unsere Eisenbahn zu übernehmen und entwickelt Euch stets weiter! Holt Euch Rat, wenn Ihr nicht weiterwisst, aber lasst Euch nichts einreden! Und das Wichtigste: Vergesst nicht, Euer Lebenswerk an die nächste Generation zu übergeben!
Ich bedanke mich recht herzlich bei Dir für Deine sachliche und tiefgehende Antworte und wünsche dir stets gute Gesundheit und genügend Energie, um deine Pläne und weitere Projekte umzusetzen.