Der Wagen 0222 ist frisch saniert bei uns angekommen
Der Wagenpark der Mansfelder Bergwerksbahn, der mittlerweile ältesten betriebenen Schmalspurbahn Deutschlands, war stets sehr speziell, da die Bahn im Wesentlichen den Transport von Schüttgütern in Form von Kupferschiefer, Kohle und Koks in enormen Größenordnungen zu bewältigen hatte.
Auch Holz und Schlackensteine galt es zu transportieren. So gab es aber auch Güter, die in gedeckten Güterwagen (G-Wagen) wettergeschützt zu liefern waren. Derartige gedeckte Güterwagen wurden bei der Mansfelder Bergwerksbahn bereits kurz nach deren Betriebseröffnung beschafft und ähnelten anfangs eher Kutschen mit Metallachsen.
Sie dienten verschiedensten internen Transportaufgaben, wie dem Stückguttransport zwischen den Schächten und Hütten, zum Sprengstofftransport, als Hilfszugwagen bei Entgleisungen, als fahrbare Werkstattwagen, als bewegliche Schmiede, als Aufenthaltswagen oder für sehr spezielle Transporte.
So kam auch der zweiachsige Wagen 0222 im Jahre 1923 zur Mansfeld AG.
Er hat eine Länge über die Mittelpuffer von 7,4 m, Speichenräder, und ist 4,8 t schwer. Seine Tragfähigkeit beträgt 7,5 t, was der Ladekapazität eines kleinen Lkw entsprechen würde, die es damals aber noch nicht gab. Er besitzt an beiden Längsseiten je eine große Schiebetür und nur an einer Stirnseite eine Bühne, von der aus eine Handbremse bedient werden konnte. Eine kleine Tür führt von dieser Bühne aus in den Innenraum des Wagens. Der Wagen besaß keine Druckluftbremse, zumal das Druckluftbremssystem Bauart Knorr erst ab 1932 bei der Mansfelder Bergwerksbahn Einzug hielt.
Einer dieser sehr speziellen Transporte und eine mansfeldische Besonderheit war die Lieferung von Brot. Durch diverse Hungersnöte im 19. Jahrhundert im Mansfelder Revier und den damit verbundenen Streiks der Berg- und Hüttenleute, sah sich die Mansfelder kupferbauende Gewerkschaft gezwungen, die Belegschaft selbst mit vergünstigtem Brot (Deputat) zu versorgen.
So wurden unter anderem im Bereich des Ernst-Schachtes in Helbra als auch auf dem Gelände des Lichtlochs 81 in Klostermansfeld eigene – für damalige Verhältnisse – moderne Großbäckereien errichtet. Dieses dort gebackene Brot, teilweise 8-Pfund-Brote, wurde ab 1882 (die meisten Hütten und Schächte hatten nun einen eigenen Anschluss) mit der Mansfelder Bergwerksbahn zu den weitverzweigten Betriebsteilen der Mansfelder Produktionsstätten transportiert und so direkt an die Berg- und Hüttenleute ausgeliefert. Hierzu kamen schon auf Grund des Witterungsschutzes ausschließlich gedeckte Güterwagen zum Einsatz. Der Verkauf des vergünstigten Brotes direkt und exklusiv an die Bergleute mit deren mehrköpfigen Familien war nicht nur in Kriegs- und Nachkriegszeiten ein wichtiges Argument, die schwere Arbeit des Bergmannes auf sich zu nehmen.
Von den insgesamt etwa zwölf gedeckten Güterwagen dieser Wagengattung, welche auf dem Streckennetz der Mansfelder Bergwerksbahn im Einsatz waren, ist nur noch der Wagen 0222 im erhaltungsfähigen Zustand und im Bestand der Mansfelder Bergwerksbahn. Da der Mansfelder Bergwerksbahn e. V. (MBB e. V.) möglichst von jeder Wagengattung und jeder Sonderkonstruktion mindestens ein Fahrzeug betriebsfähig bewahren möchte, haben wir Wagen 0222 nach der politischen Wende geborgen und zunächst vor der Verschrottung gesichert. Die Bretter der Außenbeplankung und des Daches wurden 2006 erneuert und das Fahrzeug rollfähig gemacht, um es vor weiterem Verfall zu schützen. Mit der Wiederinbetriebnahme des Wagens 0222 würde der MBB e. V. an die 140-jährige Geschichte der Mansfelder Bergwerksbahn mit all ihren Besonderheiten erinnern und das technische Denkmal Mansfelder Bergwerksbahn um einen wichtigen Baustein bereichern. Dem Wagen 0222 wird eine neue und wichtige Rolle beim Betrieb der Museumsbahn zukommen.
Der Wagen 0222 wird jetzt in den historischen MANSFELD-Personenzug an dessen Zugschluss eingereiht. Er wird dort gleichzeitig als Aufenthaltsraum für den Zugführer und das Zugbegleitpersonal dienen. Durch die großen Schiebetüren an den Fahrzeuglängsseiten können Rollstühle, Fahrräder oder andere sperrige Gegenstände mühelos ein- und ausgeladen werden. Zu Veranstaltungen mit historischen Güterzügen für Eisenbahnfreunde kann der Wagen ebenso in gemischten Güterzügen zum Einsatz gelangen, um den seinerzeitigen Betrieb der Schmalspurbahn nachzustellen.
Der Wagen 0222 stand seit 2018 in Ostritz. Dort wurde er von einem Sachverständigen inspiziert, befundet und ein Aufarbeitungsplan erstellt. Von einem geeigneten Unternehmen wurde der Wagen restauriert und am 07.10.2022 nach Benndorf geliefert.
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